Andrés Segovia, Miguel Llobet
Daniel Fortea und Emilio Pujol
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Miguel Llobet
17. Oktober 1878, Barcelona bis 22. Februar 1938, ebenda
Nach einem Konzert des blinden spanischen Gitarristen Antonio Jimenez Manjon, zu dem ihn sein Lehrer Magin Alegre mitgenommen
hatte, entschloss sich Llobet mit elf Jahren seine Zukunft der Gitarre zu widmen. Sein Lehrer brachte den hochbegabten Jungen
mit vierzehn Jahren zu Francisco Tárrega an das Städtischen Musikkonservatorium Escuela Municipal de Mùsica von Barcelona.
Llobet galt als der wichtigste Schüler Tárregas und verbreitete Tárregas Kunst des Gitarrespiels weltweit.
Nachdem Llobet seine Konzerttätigkeit in größeren spanischen Städten begonnen hatte, siedelte er 1904 nach Paris über und führte
sehr erfolgreiche Tourneen durch Europa und Lateinamerika, später auch Nordamerika, Russland und Afrika durch. Er brachte
dadurch als erster die Sologitarre in die Konzertsäle der ganzen Welt. Llobet starb nach schwerer Krankheit 1938 in Paris,
wurde nicht wie häufig behauptet während des spanischen Bürgerkriegs 1937 erschossen oder kam bei einem Bombenangriff ums Leben.
Seine Technik galt als einzigartig, seine Interpretation begeisterte das Publikum. Sein Repertoire bestand dabei aus
klassischen Werken, aber auch aus zeitgenössischen Kompositionen. Llobet hinterließ ca. 100 Gitarrenkompositionen, die meist
auf der katalanischen Folklore basieren oder Bearbeitungen klassischer Werke sind. Seine Musik gehört heute zum
Standardrepertoire der klassischen Gitarre. Ebenso wie Tárrega spielte Llobet hauptsächlich Torres-Gitarren (FE 09 und FE013),
hatte aber über die gitarristische Bewegung München Kontakt zu Hermann Hauser I und beeinflusste so den Gitarrenbau
in Deutschland.
...Schließlich und hauptsächlich aber ist es dem Zusammentreffen der spanischen Virtuosen Llobet und Segovia mit dem
Münchener Gitarrebauer Hermann Hauser (I) zu verdanken, daß die Torres-Gitarre zum Prototyp der heutigen Bauweise der
Konzertgitarre werden konnte.
Dr. Karl Huber, Die Wiederbelebung des künstlerischen Gitarrenspiels um 1900, Lisardo Verlag, 1995
Llobet hatte nicht nur freundschaftlichen Kontakt zu Andrés Segovia, sondern war in spieltechnischer Hinsicht Segovias
Vorbild, auch wenn dieser dies bestritt. Dieser Vergleich war möglich, da Llobet als einer der Ersten auch Aufnahmen seines
Spiels vornahm. Durch Llobets frühen Tod verblieb Segovia als einziger Vertreter der Gitarrenmusik, dessen Weg aber schon
durch Llobet geebnet war.
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Emilio Pujol
7. April 1886, Granadella bis 15. November 1980, Barcelona
Ursprünglich spielte Pujol die Pandora, das Bassinstrument der Cistern-Familie, in einem Zupforchester. Gerade als Miguel
Llobet seine Konzerttätigkeit aufnahm, kam der in dem kleine Dorf Granadella aufgewachsene Emilio Pujol fünfzehnjährig an
das Konservatorium von Barcelona zu Francisco Tárrega. Nach dessen Tod wechselte Pujol nach Madrid zu dem Aguado-Schüler
Agustin Campo und studierte Musiktheorie und Komposition.
Nach 7-jährigem Studium nahm Pujol seine Konzerttätigkeit in Spanien auf, die ihn nach 1918 auch nach Südamerika führte. Nach
seiner Übersiedlung nach Paris im Jahre 1922 unternahm er neben seiner Lehrtätigkeit weitere Konzertreisen in mehrere Länder.
Im Gegensatz zu Llobet spielte Pujol mit den Fingerkuppen (man sagte er spiele wie mit Handschuhen) und war damit wohl der
letzte der großen Virtuosen, der nicht mit den Nägeln spielte.
Wesentliche Publikationen Pujols waren die Sammlung Bibliothek Alter und Neuer Musik, in der er bisher unbekannte
Werke aus Renaissance und Barock gesammelt hatte und die Schule Escuela razonada de la guitarra, 1933, welche die
Methoden seines bewunderten Lehrers Tárrega zur Grundlage hat, der selbst keine eigene Schule publizierte. 1947 wurde Pujol
Professor für Gitarre an dem Staatlichen Konservatorium in Lissabon.
Emilio Pujol zugeschrieben
In Paris fand Pujol im Museum Jacquemart-André ein Instrument, dass er als Vihuela erkannte und ihn sofort interessierte. Daraufhin
publizierte er Werke von Luis de Narváez (1941), Alonso Mudarra (1949), Valderrábano (1963) und nur als Anfang Miguel
Fuenllanas Orphenica Lyra
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Andrés Segovia
21. Februar 1893, Linares bis 2. Juni 1987, Madrid
Nach eigener Aussage lernte Segovia seit seinem sechsten Lebensjahr das Gitarrespiel als Autodidakt. Anleitung erhielt er wohl
von einem Flamencoamateur, der im Hause seines Onkels in Granada wohnte, wo Segovia sich seit er fünf Jahre war, aufhielt. Sein
Vater war ein Jurist, der von seinem Sohn erwartete Klavier oder Violine zu spielen und ebenfalls Jura zu studieren. Angeblich
zerbrach er seinem Sohn mehrere Gitarren, die er als "Zigeunerinstrument" beschimpfte. Nach dem Tod seines Onkels zog er mit
Mutter und Bruder nach Cordoba, wo er sich intensiv dem Gitarrespiel widmete und mit sechzehn Jahren sein erstes öffentliches
Konzert gab.
Durch seinen Freund, den Pianisten Rafael de Montis, kam Segovia nach Sevilla, wo er viele einflussreiche Leute kennenlernte.
Bei seinen Konzerten bemerkte er aber auch, dass die klassische Gitarrenmusik bei Musikern und Kritikern nicht den Stellenwert
hatte, die er sich wünschte. Sein erstes Konzert in Madrid wurde zu einem Misserfolg.
Über das Gitarrenkonzert kann ich nur wenig erzählen, weil ich nicht die Geduld aufbringen konnte, bis zum Ende
dazubleiben. Dieser junge Mann will offenbar die dionysische Natur des Instrumentes in eine apollinische verwandeln. Die
Gitarre gehört zur leidenschaftlichen Exaltiertheit der andalusischen Folklore, nicht aber zur musikalischen Ordnung,
Präzision, Logik und nur ein Verrückter kann daran denken, die Grenzen, die beide Welten trennen, zu überschreiten. 0, daß
doch die Götter seine Arroganz züchtigen mögen, wie sie Marcias und Mycenus bestraft haben; aber, um die Wahrheit zu sagen,
er verdient nicht ihre glorreichen Leiden, sondern nur Schweigen und Vergessen...
Ein Mitglied der Madrider Ateneo-Konzertgesellschaft nach der Premiere in Madrid, 1913
(aus Joerg Sommermeyer, Nova Giulianiad)
Segovia lernte Llobet kennen, mit dem er sich anfreundete und viel von dessen Spielweise übernahm. Nach Aufenthalten in Valencia
und Barcelona, kam er nach Madrid zurück und unternahm eine erfolgreiche Tournee durch Südamerika. 1920 wurde Segovia als bisher
höchste Anerkennung von der spanischen Königin Viktoria in den Palast in Madrid eingeladen. In den folgenden fünfzehn Jahren
unternahm Segovia Konzertreisen zu allen größeren europäischen Städten, vor allem 1924 in Paris, 1928 auch in den USA. Seine Art
die Gitarre zu spielen, beeindruckte das Publikum überall auf der Welt und gab dem Instrument seinen Platz in den Konzerthäusern
zurück.
Nach Beginn des spanischen Bürgerkrieges verließ Segovia seine Heimat und lebte bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges in New York
und Montevideo, Uruguay. Nach dem Krieg überzeugte Segovia 1947 seinen Freund Albert Augustine Saiten aus dem von dem
Chemiekonzern DuPont entwickelten Kunststoff Nylon herzustellen, der eigentlich für Zahnbürsten und Strümpfe Verwendung fand. Die
Nylonsaiten verdrängten die Darmsaiten vollständig, obwohl Segovia die deutschen Darmsaiten bevorzugte (die aber nach dem Krieg
kaum erhältlich waren).
In den folgenden Jahrzehnten gab Segovia unzählige Konzerte, nahme dreissig Schallplatten auf und führte jedes Jahr in
Siena, Italien und Santiago de Compostela, Spanien Meisterkurse durch, bei denen viele der heute bekannten Gitarristen
teilnahmen.
Neben der Popularisierung der klassischen Gitarre war Segovias größter Verdienst, zeitgenössische Komponisten dazu zu bewegen,
originär für die Gitarre zu komponieren. Dazu zählen z.B. Manuel Ponce, Heitor Villa-Lobos, Mario Castelnuovo-Tedesco, Alexandre
Tansman und Joaquín Rodrigo. Bei dem Musikverlag Schott wurde eine eigene Reihe mit Segovias Bearbeitungen historischer und
zeitgenössischer Musik publiziert.
Im Laufe der Zeit spielte Segovia hauptsächlich drei Gitarren:
Daß sie von Segovia neben dem Repertoire, dem Klangzauber und den Tempi auch die unmotivierten rubati, die
eigenwilligen Betonungsmuster und die höchst unlogischen Temposchwankungen - interpretatorische Freiheiten einer
der Romantik verpflichteten Musikergeneration - übernommen haben, ist die Schattenseite der Nachwirkung einer derartig
übermächtigen Zentralfigur und ihres Einflusses (über die Nachfolgegeneration).
Peter Päffgen, Die Gitarre, B.Schott's Söhne, Mainz 1988
Um die Figur Segovia ranken sich viele Mythen, die einerseit von ihm selbst kolportiert wurden, anderseits von seiner
fanatischen Fangemeinde verbreitet wurde. So ist seine Behauptung reiner Autodidakt zu sein vielfach bezweifelt worden
(Llobet soll z.B. großen Einfluss auf sein Spiel gahabt haben). Auch soll er nicht davor zurück geschreckt sein, Kollegen
oder Komponisten herabzuwürdigen, um sich selbst glänzender darzustellen. In dieses Bild passt die testamentrische
Verfügung, dass seine Hauser-Gitarre nach seinem Tod nie mehr gespielt werden darf. Sein herausragender Verdienst um die
klassische Gitarre ist aber unbezweifelt.
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Heitor Villa-Lobos
5. März 1887, Rio de Janeiro bis 17. November 1959, ebenda
Heitor Villa-Lobos hatte das Glück schon von Kindesbeinen an, von seinem Vater, Bibliothekar und Hobbymusiker, musikalisch
fundiert erzogen zu werden und bekam eine Ausbildung für Cello, Gitarre und Klarinette. Er lernte aber auch autodidaktisch
bei Volksmusikern, besonders die für Brasilien typischen Chôros (meist melancholische Improvisationsform mit schnellen Läufen,
die auf dem Sambarhythmus beruht).
Nach dem Tod seines Vaters studierte er nicht wie geplant Medizin, sondern musizierte mit dem
Cello in Cafés und Theatern. Von dem Wunsch beseelt eine neue Musik zu entwickeln sammelte er seit 1905 brasilianische
Volkslieder und unternahm 1912 ausgedehnte Reisen durch das Hinterland, um die Musik der Indios kennenzulernen (der Erfolg
dieser Reisen wurde aber stark angezweifelt).
Nach diesen Reisen heiratet Villa-Lobos und arbeitete als ernsthafter Musiker. Er publizierte seine Kompositionen und entwickelte
seinen im Spannungsfeld zwischen europäischer und südamerikanischer Musik verorteten Stil. 1923 fuhr er mit Hilfe eines
Stipendiums zum ersten mal für ein Jahr nach Paris. Er war einer der ersten Komponisten, der südamerikanische Musik nach Europa
brachte und war sowohl als Komponist, als auch als Dirigent erfolgreich. Er lernte Andrés Segovia kennen, für den er bei seinem
zweiten Aufenthalt in Paris ab dem Jahre 1927 "Douzes Études" schrieb, die die Möglichkeiten der Gitarre auf bisher unbekannte
Weise ausreizten (Johannes Klier vergleicht ihren
Stellenwert sogar mit den Etüden Chopins für das Klavier). Schon 1908 - 1912 komponierte er die aus fünf Chôros bestehende
Suite populaire brésilienne, die heute zum Standardrepertoire der Gitarre gehört.
Nach diesem Aufenthalt lebte Villa-Lobos ab 1930 ständig in Brasilien und gründete in Rio de Janeiro das Conservatorio
Nacional de Canto Orfeônico, dirigierte aber weiter seine unzähligen Werke aller Gattungen im In- und Ausland. Sein Stil
ist ebenso revolutionär wie unvergleichbar, wodurch sein früher Wunsch in Erfüllung gehen konnte. Neben der brasilianischen
Folklore prägten den theoretisch nicht sehr ausgebildeten Komponisten auch der Impressionimus und die polyphone Musik Bachs.
1959 starb Villa-Lobos in Rio de Janeiro an Krebs. Zwei Jahre später wurde in Rio de Janeiro das
Museu Villa-Lobos gegründet.
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Agustín Barrios "Mangore"
5. Mai 1885, San Juan Bautista de las Misiones, Paraguay bis 7. August 1944, San Salvador
Mit dem Paraguayer Agustín Barrios betrat 1885 der wohl skurrilste und einer der bedeutendsten Gitarristen die Bühne. Als Sohn
einer großbürgerlichen Familie liebte er Musik und Literatur, wurde mit dreizehn Jahren der jüngste Student
Paraguays und studierte bei Gustavo Sosa Escalada Gitarre. Er begann viele Gedichte zu schreiben, die er mit einer
Gitarrenbegleitung versah.
1910 verließ er seine Heimat um in Argentinien einige Konzerte zu geben und blieb für vierzehn Jahre in Südamerika unterwegs.
Barrios kam 1934 zum ersten mal nach Europa, wo er in Brüssel sein erstes Konzert gab. Er blieb zwei Jahre und konzertierte
in Deutschland und Spanien. 1936 kehrte er nach Südamerika zurück und wurde 1939 Dozent am "Conservatorio de Música" in San
Salvador, wo er fünf Jahre später starb. Nach seinem Tod wurde seine Musik für zwanzig Jahre vergessen und wurde hauptsächlich
von John Williams wiederentdeckt.
… als Gitarrist und Komponist ist Barrios der Beste von allen, unabhängig von der Zeitepoche. Seine Musik ist besser
geformt, sie ist poetischer, sie hat mehr von allem! Und sie hat es auf eine zeitlose Art. Deshalb denke ich, dass er
ein bedeutenderer Komponist ist als Sor oder Giuliani und ein bedeutenderer Komponist - für die Gitarre - als Villa-Lobos.
John Williams
Barrios trat auf der Bühne gerne in der Tracht der Guarani-Indianer auf, um auf seine indianische Herkunft zu verweisen und nannte
sich Nitsuga, Agustín rückwärts und Mangoré nach einem Indianerhäuptling. Barrios inszenierte sich selbst
wie kaum ein Zweiter, war Dandy, manisch depressiv, immer melancholisch.
Er komponierte ein umfangreiches Werk, meist Charakterstücke, die auf den Tanzformen Paraguays, Venezuelas oder Argentiniens,
aber auch auf den europäischen Formen wie Chopins Mazurken oder Bachs Kontrapunkt basieren. Er war vermutlich der erste Gitarrist,
der eine Schallplatte aufnahm (eine Lautensuite von Bach). Mit z.B. Danza Paraguaya und La Cathedral hat er
das Konzertprogramm bedeutend erweitert. Als Gitarrist spielte er in Südamerika die gleiche Rolle wie Segovia in Europa, als
Virtuose wurde er mit Paganini verglichen. Warum sein Erfolg in Europa zuerst ausblieb ist nicht geklärt, soll aber gerüchteweise
dem Einwirken von Andrés Segovia geschuldet sein.
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