Studierzimmer eines Kunstliebhabers
Unbekannter österreichischer Maler, 1830
b ca. 1720 hatte der höfische, spielerische sogenannte Galante Stil der Vorklassik
die Polyphonie des Barocks zu Gunsten von homophoner, melodiebasierter Musik mit einfacher Harmonisierung abgelöst. Vertreter dieser
Richtung waren z.b: Domenico Scarlatti, Carl Philipp Emanuel Bach, Johann Christian Bach, Georg Philipp Telemann, Georg Christoph
Wagenseil, Johann Joachim Quantz und schließlich auch Leopold Mozart.

m Ende des 18. Jahrhunderts tauchten vor allem in Spanien erste Schulen und Spielbücher für die
neue Gitarre von Federico Moretti, Antonio Ballestero, Manuel da Paixaõ Ribeiros und Fernando Ferandiere auf. Der Zisterziensermönch Manuel
García (1775-1832), genannt Padre Basilio, war Organist in einem Kloster in Madrid. Er war der Erste, der versuchte die Gitarre wieder in
die Kunstmusik zu integrieren, bildete Dionisio Aguado aus und soll dafür verantwortlich sein, dass der Gitarre in Spanien die sechste Saite
zugefügt wurde. Vor allem Federico Moretti (ca. 1765-1838), ein italienischer Offizier im Dienst der spanischen Armee, entwickelte den neuen
Stil der Gitarrenmusik. Neben einer Schule für sechssaitige Gitarre aus dem Jahr 1799 schrieb er Gitarrensolos, Stücke für Gitarre mit
anderen Instrumenten, Gitarrenkonzerte, viele Lieder und einige Bücher über Musiktheorie.

Lyra-, Doppelhals- bzw. Harfengitarre
Musikinstrumenten-Museum
der Universität Leipzig
Inv.-Nr. 586, 599, 603
n den Zeiten des Wandels wundert es nicht, dass auch verwegenere Modifikationen des Instruments
versucht wurden. So kommt aus Frankreich die aufrecht gespielte Lyragitarre (im Bild ein Exemplar von Carl Christian Otto aus Halle, 1820),
die sich in ihrem Äußeren auf die Kithara aus dem klassischen Griechenland bezieht. Auch wenn der dekorative Aspekt im Vordergrund stand, gab es
tatsächlich Publikationen, die die Lyragitarre explizit einbezogen. Sogar die beiden ersten Auflagen der Gitarrenschule von Carulli bezogen
die Lyra als mögliches Instrument ein.

ie Zeit der Klassik war auch die Zeit, in der das Bürgertum entstand. Durch die amerikanische
Unabhängigkeit von 1776 und die Französische Revolution von 1789 war ein Prozeß in Gang gekommen, der nicht mehr zu stoppen war. Bürger
übernahmen im Staat wichtige Rollen und eiferten auch im gesellschaftlichen Leben dem Adel nach. Wurde Musik vorher am Hofe praktiziert
oder war der Volksmusik zugehörig, entstand nun ein vielfältiges Konzert- und Musikleben. Dies verlangte nicht nur nach Solisten, sondern
auch nach Musiklehrern und Publizisten, die das entsprechende Notenmaterial in Form von Schulen und Spielbüchern lieferten. Bei der
fehlenden musikalischen Tradition wundert es nicht, dass die Qualität der Musik darunter litt. Der effektvolle Virtuose war eher gefragt,
als die hochkomplexe Musik des Barocks, die Spielbücher sollten sehr einfach aber ausdrucksstark sein.

Charles de Marescot
La Guitaromanie, 1825
ie Zentren der Entwicklung der Gitarre waren jetzt die großen Metropolen der Zeit wie Paris,
London und Wien. Gitarristen vornehmlich aus Spanien und Italien reisten von Konzert zu Konzert oder gaben Unterricht, publizierten
Notenmaterial.
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Fernando Sor
13. oder 14. Februar 1778, Barcelona bis 10. Juni 1839, Paris
Eigentlich José Ferran Macario Sors. Nachdem 1790 Sors Vater gestorben war, kam er aus finanziellen Gründen in die katalonische
Klosterschule Montserrat, wo er auch eine musikalische Ausbildung in Harmonielehre, Kontrapunkt und Komposition geistlicher
Vokalmusik erhielt. 1795 trat er noch nach den Plänen seines Vaters für vier Jahre als Offizier in den Militärdienst, währenddessen
er erste Kompositionen für Gitarre erstellte und 1797 seine erste Oper "Il Telemaco nell´ isola di Calipso" aufgeführt wurde.
Bei Aufenthalten in Madrid bei seiner Gönnerin der Herzogin von Alba und in Barcelona bei dem Herzog von Medinaceli hatte
Sor die Freiheit zu komponieren und sein Spiel zu entwicklen. Unter der französischen Besatzung blieb er erst als Patriot auf
der Seite Spaniens, liebäugelte dann aber wie viele andere Intellektuelle und Künstler mit den Idealen der Französischen Revolution.
Er wurde Polizeihauptkommissar unter Napoleon und verließ 1813 nach dem spanischen Unabhängigkeitskrieg seine Heimat in Richtung
Paris, ging 1815 bis 1823 nach London, wo er seine größten Erfolge feierte, reiste weiter nach St.Petersburg, Warschau, Berlin
und blieb schließlich ab 1826 wieder in Paris, wo er 1839 starb. Sein Grab wurde 100 Jahre später auf dem Friedhof von Montmartre
wiedergefunden.
Schöne Tänze, herrliche Dekorationen und eine recht angenehme Musik. Sor ist unbezweifelt der erste Guitarre-Spieler der Welt;
es ist unmöglich, sich einen Begriff davon zu machen, zu welchem Grade der Vollkommenheit er dieses ärmliche Instrument erhoben hat...
(seine) größte Stärke ist die freye Phantasie: er spielt immer drey und vierstimmig und nie hört man von ihm das gemeine
Arpeggien-Geklimper.
Leipziger Allgemeine Musikalische Zeitung, 1832, Korrespondenzbericht aus Paris von S. Neukomm
Musikalisch geprägt war Sor hauptsächlich von Moretti und durch die klassische Schule von Haydn und Mozart.
In Paris gehörten Dionisio Aguado und Napoleon Coste zu seinem Freundeskreis, mit denen er auch Duos spielte. Er komponierte
neben Werken für Balett, Orchester, Klavier, Gesang vor allem für die Gitarre. Seine Gitarrenschule Méthode pour la Guitare,
Paris, 1830 und seine Etüden, Sonaten, Fantasien und Variationen (insgesamt 70 Werke) gehören heute noch zum festen
Repertoire. Für die musikalischen Laien waren Sors Publikationen häufig zu anspruchsvoll, was zu seinem Verdruss zu immer
einfacheren Stücken führte. Zusätzlich blieb ihm die angestrebte Anerkennung als Opernkomponist verwehrt. Sor war einer der
wenigen Komponisten, der Musik für die Gitarre komponierte und nicht für die Gitarre Musik.
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Dionisio Aguado García
8. April 1784, Madrid bis 20. Dezember 1849, ebenda
Dionisio Aguado, spanischer Gitarrist und Komponist, erhielt seine musikalische Ausbildung bei dem Zisterziensermönch
Pater Basilio (s.o.). Bis zu seinem 40.
Lebensjahr lebte er zurückgezogen auf seinem Landgut in Fuenlabrada, in der Nähe von Aranjuez und widmete sich ganz
seinen Studien und der Lehrtätigkeit.
Ab 1826 verbrachte er mehrere Jahre in
Paris, wo er unterrichtete und zahlreiche Konzerte gab. Er wurde schnell Liebling der Pariser Salons, wo ihm mit
Fernando Sor ein anderer Vertreter der spanischen Gitarre begegnete, mit dem ihn eine lebenslange Freundschaft verband.
Von 1838 bis zu seinem Tode lebte Aguado in Madrid.
Aguado war der Erste, der die Saiten mit den Fingernägeln anschlug und zum Wegbereiter dieser Spieltechnik wurde. Neben
Aguado wurde das Nagelspiel auch von Mauro Giuliani und Ferdinando Carulli bevorzugt, während Fernando Sor, Matteo Carcassi
und Antoine Meissonnier es, zum Teil vehement, ablehnten.
Wir können entweder mit den Nägeln oder mit den Fingerkuppen der rechten Hand spielen. Was mich betrifft, habe ich immer meine Nägel benutzt. Nichtsdestoweniger entschloss ich mich, meinen Daumennagel abzuschneiden, nachdem ich meinen Freund Sor spielen hörte, und ich beglückwünschte mich, seinem Beispiel gefolgt zu sein. Der Impuls der Daumenkuppe für die Bässe erzeugt einen vollen und angenehmen Ton. Für den Zeige- und Mittelfinger behalte ich die Nägel bei. Meine lange Erfahrung dürfte mich berechtigen, meine Meinung zu dieser Frage darzulegen. Mit den Fingernägeln erzielen wir auf der Gitarre eine Farbe, die sich weder mit dem Klang der Harfe noch mit dem der Mandoline vergleichen lässt. Meines Erachtens ist die Gitarre mit einem Charakter gekennzeichnet, der sie von anderen Instrumenten unterscheidet: sie ist süß, harmonisch, pathetisch, manchmal majestätisch. Sie hat nicht Zugang zur Erhabenheit der Harfe oder des Klaviers. Ihre zarte Anmut und ihre Vielfalt an Klangmodulationen machen sie hingegen zu einem Instrument voll von Geheimnissen. Aus diesem Grunde halte ich es für wünschenswert, die Saiten mit den Nägeln anzuschlagen. Sie erzeugen einen klaren, metallischen, mannigfaltigen Ton voll Zartheit, mit Licht und Schatten...
Dionisio Aguado, Nuevo Método para Guitarra, Paris, 1843
Beim Gitarrenspiel benutzte er eine spezielle Unterlage, das sogenannte tripedisono (s.Bild), auf das er die Gitarre stützte.
Die Grundlagen seiner Spieltechnik zeigte Aguado in der 1825 erschienenen Gitarrenschule Método para tocar la guitarra en el
trípódison, Madrid, 1825, die 1827 und 1843 als Nuevo Método para Guitarra, Paris, 1843 neu aufgelegt wurde.
Dies war die erste umfangreiche und ausführliche Gitarrenmethode, die sich detailliert auf die neue Form der Gitarre
eingestellt hatte und machte Aguado zum bedeutendsten Gitarrenlehrer des 19. Jahrhunderts. Aguado strukturierte seine Etüden,
im Gegensatz zu dem kompromisslos auf dem musikalischen Gehalt achtenden Sor, konsequent nach dem didaktischen Ziel.
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Mauro Giuliani
27. Juli 1781, Bisceglie bis 8. Mai 1829, Neapel
Mauro Giuliani, italienischer Gitarrist und Komponist, studierte in seiner Jugend Violoncello, Flöte und im Laufe der Zeit vorrangig
Gitarre. Da in Italien die Oper das Musikleben dominierte und das musikliebende Bürgertum kaum Ausprägung fand, verließ er 1806
seine Heimat, um sich in der habsburgischen Metropole Wien niederzulassen.
Er wurde schnell einer der beliebtesten Solisten,
arbeitete als Lehrer und Komponist. Er freundete sich mit Anton Diabelli, Johann Nepomuk Hummel, Ignaz Moscheles und Louis
Spohr an und musizierte mit ihnen, Beethoven und Schubert gehörten zu seinem näheren Umfeld. 1819 musste er Wien zu Beginn
einer europaweiten Tournee auf dem Höhepunkt seines Erfolges verlassen. Der Grund ist Mittelpunkt von Spekulationen über einen
regellosen Lebenswandel, der zu wirtschaftliche Schwierigkeiten führte. Er hinterließ einige Schulden, seine Konten und sein
Eigentum wurden beschlagnahmt.
Er spielte ein Konzert und Variationen mit Begleitung des vollen Orchesters, beydes von seiner eigenen Komposition,
welche in der That so lieblich war, als die Art, mit der er sie vorzutragen wusste. Bewunderung und Beyfall konnte ihm
gewiss Niemand versagen, und das Auditorium zeigte sogar Enthusiasmus, wie er selten, auch von dem trefflichsten
Meistern hervorgelockt wird.
Leipziger Allgemeine Musikalische Zeitung, Mai 1808
Nach Zwischenstationen im Hotel de Gran Bretania in Venedig und Rom (wo er mit Rossini Und Paganini
auftrat), zog er nach Neapel, wo sein schwerkranker Vater lebte. Dort trat er häufig mit seiner Tochter Emilia auf. Ende des
Jahres 1828 erkrankte er immer häufiger, schließlich starb er am 8. Mai 1829 in Neapel. Bis zu seinem Tod hatte er den Wunsch,
wieder nach Wien zurückzukehren.
Im Gegensatz zu z.B. Fernando Sor favorisierte Giuliani die große Form und Besetzung. Er schrieb allein drei Konzerte für Gitarre
und Orchester und zahlreiche Kammermusikwerke. Insgesamt hinterließ er 150 Werke für Gitarre, auch im Ensemble mit Violine oder
Flöte. Giuliani war wohl der größte Virtuose seiner Zeit.
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Ferdinando Maria Meinrado Rosario Carulli
10. Februar 1770, Neapel bis 17. Februar 1841, Paris
Carulli erhielt anfangs bei einem Priester Unterricht im Spiel auf dem Violoncello und studierte Musiktheorie. Mit etwa zwanzig
lernte er autodidaktisch das Gitarrespiel, da er in Neapel keinen Lehrer fand. Er entwickelte dadurch einen eigenen Stil, der
sich als sehr erfolgreicht herausstellte. Carulli konzertierte hauptsächlich in italienischen Städten, veröffentlichte 1807 bei
Ricordi in Mailand erste Werke für Gitarre und ließ sich 1808 in Paris niederließ, wo er nach wenigen Konzerten berühmt wurde und
die Gitarre salonfähig machte.
Neben der noch heute bekannten Gitarrenschule Méthode complete pour guitare, Paris, 1810 veröffentlichte Carulli eine
Harmonielehre für die Gitarre: L'harmonie appliquée à la guitare, Paris, 1825. Allgemein ist die Qualität der 400 Werke
Carullis, außer dem Gitarrenkonzert, eher gering, was aber auch dem Publikumsgeschmack geschuldet ist. Mit dem Instrumentenbauer
René Lacôte, dessen Gitarren auch Sor spielte, leistete er wichtige Beiträge zur technischen Verbesserung der Gitarre.
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Matteo Carcassi
1792, Florenz bis 16. Januar 1853, Paris
Carcassi, italienischer Gitarrist und Komponist, lernte schon in seiner Jugend neben Klavier das Gitarrespiel. Schon mit 16
Jahren begann Carcassi in Italien Konzerte zu geben, 1810 dann auch in Deutschland. Im Jahr 1815 ging er zum erstem Mal nach
Paris, wo er als Klavier und Gitarrenlehrer arbeitete.
Bei einer Reise nach Deutschland lernte er den Priester Antoine Meissonnier
kennen, mit dem er eine lange Freundschaft schloss und der die meisten seiner Werke in Paris publizierte. Er verließ Florenz 1820,
um endgültig nach Paris umzusiedeln, wo er lange im Schatten von Carulli stand. In den Folgejahren führten ihn Konzert-Tourneen
quer durch Europa. 1836 führte ihn eine Konzertreise nochmal in sein Heimatland, kehrte aber bald nach Paris zurück und beendete
vier Jahre später seine Konzerttätigkeit.
Carcassis dreiteilige Méthode complète pour la guitare, opus 59 ist die wohl umfassendste Gitarrenschule, die durch
seine Etüden 25 études mélodiques et progressives, opus 60 hervorragend ergänzt wurde. Carcassi war im Gegensatz
zu Carulli ein Vertreter des Nagelspiels und der erste, der die heutige Haltung der Gitarre mit Fußbank für den linken Fuß
verwendete. Zusätzlich war Carcassi einer der ersten, der Musik korrekt notierte. Er trennte Ober- und Unterstimmen und
notierte Pausen, was in der Zeit nicht üblich war.
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ie enorme Entwicklung der Gitarre selbst rief natürlich auch Änderungen in der Spielweise
hervor. Die Trennung in Ober- und Unterstimme erforderte von dem Gitarristen eine neue Anschlagtechnik, das Lagen- und Barréspiel führte zu
einer anderen Haltung der Gitarre. Aguado verwendete das tripedisono oder stützte die Gitarre auf der rechten Stuhlseite auf, Sor stützte
die Gitarre auf einen Tisch. Carcassi verwendete als erster eine Bank für den linken Fuß.
Tripedisono
Dionisio Aguado
Nuevo Método para Guitarra
Paris, 1843

n Russland wurde zu Beginn des 19. Jahrhunderts mit der 7-saitigen Gitarre eine besondere
Bauform populär, die in einer G-Dur-Stimmung (D-G-H-d-g-h-d') verwendet wurde. Der Vorläufer dieser Gitarrenbauform war die altrussische
(4-6 Saiten) und polnische Gitarre. Vor allem durch 75 Kompositionen, Schul- und Studienwerken (1840) von Andrej Sichra (1773-1850) entstand
eine Gitarrenbewegung, die ähnlich wie im Westen im Fortgang zyklisch ablief und mit dem 1.Weltkrieg einen Tiefpunkt fand.

pät hatte die Entwicklung der Gitarre der Klassik begonnen, so dass die Musik einiger
Protagonisten schon romantische Züge trägt. Napoleon Coste (1806-1883) und Johann Kaspar Mertz (1806-1856) waren die wesentlichen
Vertreter des Übergangs, deren Werk schon großteils der Romantik zuzuordnen ist.

